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Artikel aus der WAZ vom 14.09.1982

Rocker werben um Verständnis


Mit einem Flugblatt wollen die Rocker von der Schleuse III die Nachbarn ihres Clubhauses an der Havensteinschule beruhigen, indem sie aktiv auf sie zugehen.
Betreut wird der Jugendclub von zwei Honorarkräften des Stadtjugendamtes, Resi Helmes und Uwe Beier. Das äußere Erscheinungsbild der Jugendlichen, die
Rockerkluft aus schwarzem Leder, sowie die Motorräder vor dem Clubhaus, hatten die Nachbarn verunsichert und verärgert. Mit der Information über ihre
Aktivitäten, wollen die Rocker um mehr Verständnis seitens der Nachbarn bitten und ein harmonisches Verhältnis auf der Basis von gegenseitigem Respekt aufbauen.




Artikel der Bikers News

Der Name

"Die Frage hab' ich schon mal gehört", grinst Herby, Gründungsmitglied des MC Schleuse III. Wir schmunzeln alle, weil das schon vor der Frage glasklar war. Sie lautete: "Wie kommt ein Rockerclub dazu,
sich Schleuse III zu nennen?!"
Eigentlich ist es ganz einfach. In Oberhausen, ganz in der Nähe des inzwischen berühmten Einkaufsparkes Centro und einen Steinwurf entfernt vom neuen Tabaluga - Musicalzelt, fließt der Rhein - Herne - Kanal.
Dies tut er schon sehr lange, nur daß es früher auf dem Gelände, das die neuen Kultur- und Kommerz - Centren beherbergt, das Thyssen - Werk Niederrhein gab. Eisen und Stahl, wie einst überall im Kohlenpott.
Seinerzeit gab es in der Reihe der Kanalschleusen zwischen dem Rhein und Herne auch die Nummer drei. Das ist allein nichts besonderes, wäre da nicht die besondere Lage des gleich angrenzenden Arbeiter - Stadtteiles.
Genaugenommen verläuft hier die Grenze der Stadtteile Oberhausen - Borbeck und Osterfeld. Der Volksmund jedoch nannte dieses Wohnsiedlungsgebiet wegen der eingeengten Lage zwischen A42, Kanal und Bahnlinien schlicht
"Schleuse III".
Aha!


Die Wurzeln

Dort, vor in der Tat mehr als 20 Jahren, nämlich 1972, trafen sich Jugendliche aus dieser Siedlung regelmäßig in der Nähe der Schleuse III. Sie taten sich zu etwa vierzig Leuten zu einer Straßengang zusammen,
wie sie damals jedes Stadtviertel kannte. Oft waren es unsichtbare Grenzen zwischen Siedlungsteilen, ein geschotterter "schwarzer" Weg, ein Bach, ein Bahndamm, der die Demarkationslinie zwischen
"denen drüben" und "uns hier" markierte. Wehe denen, die die Regeln nicht einhielten oder nicht kannten und die unsichtbare Grenze überschritten.
Der Verlust von Zigaretten, einer Fußballbildersammlung oder des ganzen Turnbeutels drohte, wenn man der falschen Truppe in die Hände fiel. Das regulierte sich dann wieder, wenn einer von den anderen
aus irgendwelchen Gründen auf das eigene Gebiet geriet, so zum Beispiel zu Arztbesuchen, beim Radfahren oder auf dem Weg zur Oma, die dummerweise auf der falschen Seite wohnte.
Weil solch große Gruppen nur schlecht über längere Zeit zusammenhalten können, bröckelte es bald auch im Gefüge der Truppe um die Schleuse III.
Freundinnen, Schichtarbeit oder Wegzug dezimierten die Kumpels, bis nach ein paar Jahren, Ende der Siebziger, eine Gruppe von Jungs übrig blieb, die neben den üblichen Bindungskomponenten wie Maloche,
Rot - Weiß Oberhausen oder bloße Nachbarschaft noch ein zusätzliches Hobby hatten, das Moped - manche wenige sogar ein Motorrad.


Der Weg zum MC

Irgendwie, der genaue Hergang ist nur noch verwaschen bekannt, kristallisierte sich 1979 aus dieser Gruppe ein Motorradclub, ein richtiger MC mit Colour nach amerikanischem Vorbild. Die Filme der frühen Siebziger und
späten Sechziger hatten das ihre dazu getan, um den Spirit des Living Free und Outlaw - Feeling hochzuhalten.Es gab natürlich bald die nietenbesetzten Jeanswesten für jedes Mitglied,
stilecht war eh nur die Jacke ohne Ärmel, also nicht die Luschenweste von der Stange. Im Winter tat's die Nato - Jacke, nicht der Barras - Parka, außerdem das Palästinenser - Tuch und die Springerstiefel vom US - Verkauf.

Der Name Schleuse III ergab sich wie oben schon erwähnt, von selbst. Und weil alle Member bodenständige Jungs waren - und sind - begann man gar nicht erst mit dem "Germany" - Quatsch und nannte sich vollständig
MC Schleuse III Deutschland.
Als Colour wurde das Cover der brandneuen LP (ja, ja, Vinyl auf 33 1⁄3 U⁄min war in) von Nazareth erkoren. Daß dies auch heute noch den Rücken schmückt, ein Skelettsoldat
mit zwei Knochenkeulen, ist Ehrensache. Es gibt, wie die Member von Schleuse III inzwischen bemerkt haben, auch heute noch andere Clubs, deren Colour auf diesem Motiv basiert.


Die Gründerzeit

Anfangs war es nicht ganz einfach, sich als reiner MC zu definieren. Bei den ca. 20 Gründungsmembern gab es eine weit gefächerte Altersstruktur von 14 bis ca. 35 Jahren. Und gerade die älteren
fuhren eher Auto als Motorrad. Immerhin befand man sich in der realen Welt außerhalb der Kinos erst ganz am Anfang des Motorradbooms nach dem Anfangsiebziger - Motorradloch, in dem keine
zweihunderttausend Maschinen in der Bundesrepublik angemeldet waren. Nun gab es bereits die Kawa Z - Reihe, den 750er Wasserbüffel namens GT von Suzuki, die BMW's wurden auch schneller und es gab
vereinzelt echte Harleys auf deutschen Straßen. Aber alles scheißteuer für den Malocher aus Oberhausen.


Die Szene

Selbstredend war das Gebiet um Schleuse III keine Enklave außerhalb der Clubwelt. Rundherum bildeten sich annähernd zeitgleich eine ganze Anzahl von Clubs im Pott, was die Sache klar polarisierte.
Entweder man gehörte zu der "einen" Sorte, oder zu der "anderen", nichts anderes als die Stadtteil - Gangs der früheren Jahre, nun etwas großzügiger in den Grenzen durch die gewachsene Mobilität.
Es wurden auch bei Schleuse III Strukturen entwickelt, um den Zusammenhalt und das Miteinander zu regeln. Genaugenommen gab es anfangs, gaaaanz am Anfang, zwei verschiedene Gruppen innerhalb des Clubs.
Die älteren mit den Autos und Motorrädern, die jüngeren mit den Mopeds. Das legte sich bald durch Gesundschrumpfen und Abwanderung.


Kontakte

Der Club hatte durch die Wurzeln in der Siedlungsjugend noch immer engen Kontakt zum Stadtteil. Daraus ergab sich der Vorteil, schnell, gleich zu Anfang 79, ein Clubhaus bekommen zu können.
Der Anbau einer Turnhalle der Grund - und Hauptschule sollte von da an für lange Zeit, bis 1992, Heimstatt des Motorradclubs Schleuse III Deutschland sein.
Obwohl öffentliches Gebäude, störte es niemanden in der Nachbarschaft, daß schon bald das Colour überlebensgroß von einer Außenwand herabstarrte. Man wußte ja, wer dazugehörte und
daß es eben die Jungs aus der Nachbarschaft waren. Damals tat der MC Schleuse III auch regelmäß von sich aus etwas für positive Bevölkerungsresonanz. Besonders der Draht
zur Stadt war bemerkenswert gut. Das lag nicht zuletzt daran, daß der Club außerhalb seines Wohngebietes nie großkotzig auftrat und wenn er schlug, dann nur zurück. Beliebt in der
Öffentlichkeit war die Organisation von Fußballturnieren, bei denen der Club Volksnähe demonstrierte und kräftig mithalf, daß alles klappte.


Die Satzung

Seit 1985 besteht die im Prinzip noch immer gültige Satzung. Grundfesten waren das Weglassen fester Führungsstrukturen, die Einführung einer mindestens halbjährigen Probezeit, später
noch eine Hängerzeit von drei Monaten, die dem Probelaufen vorausging. Während der Probezeit fehlt im Colour die Mitte des dreiteiligen Rückenpatches. Schießt man als Vollmember einen Bock,
bekommt man vorübergehend einen Probestreifen über das Colour gepinnt und ist Straf - Probe. Die normale Probezeit ist nicht auf Demütigung ausgelegt. Vielmehr soll der Neue sich und den
Kumpels beweisen, daß man sich auf ihn verlassen kann. Mit dieser Motivation packen die Proben doppelt zu, helfen in der Regel freiwillig mit, wenn's was anzupacken gilt. Wer sich hier bitten läßt,
wird das Colour nie bekommen. Zum Club passen muß halt jeder, der Vollmember werden will.


Parties

So klasse es auch war, ein Clubhaus vom Start weg zu haben, so schwierig war die Nähe zur besagten Schule. Blieben Treffen und Parties im kleinen Rahmen, ging's ja noch. Meldeten sich viele Gäste an
wurde es mit Sicherheit laut und eng. Und das ist inmitten eines Wohngebietes natürlich stets mit Ärger verbunden, so wohlwollend man auch insgesamt der Bande gegenüberstand. Ein Übriges tat die Tatsache,
daß seinerzeit bis in die Achtzigermitte keine echte Party ohne Schlammgrube abgehen konnte. Die Member und Freunde vom MC Schleuse III waren bald echte Profis im Einsauen der Wiese neben der Turnhalle.
Aber im Großen und Ganzen war der Protest der Anwohner nie schlimmer als mal eine Beschimpfung als "Saupack" oder lediglich verständnisloses Kopfschütteln.


Das aktuelle Clubhaus

Dem Club war Ende der Achtziger klar, daß ein neues Clubhaus, vielleicht etwas abseits, schon eine echte Verbesserung darstellen würde. Und als man sich eben auf die Suche gemacht hatte, gab
eine Gärtnerei mit entsprechend großem Freigelände ihren Betrieb auf. Nur wenige hundert Meter von der alten Turnhalle entfernt, in Blickweite der Wurzeln. Und noch besser: der Club
bekam den Zuschlag aufgrund einer soziokulturellen Hilfsmaßnahme im Stadtteil. Sofort machten sich die Member an den Aus - und Weiterbau der bestehenden Baracke, immer scharf an der Grenze zur
Baugenehmigung. Handwerker jeglicher Ausrichtung halfen tatkräftig im Club mit, um aus der ehemaligen Blumenhalle ein schmuckes Domizil für den Motorradclub zu bauen.


Ausblick

Der MC Schleuse III ist ein stabiler, gewachsener Club. Der Schnitt bei der Dauer der Memberschaft liegt bei rund zehn Jahren, selbst die jüngsten Member sind schon seit mindestens drei Jahren dabei.
Man kennt alle Clubs und Chapter der Nachbarschaft, pflegt zu den meisten freundschaftliche Beziehungen und wird auch von größeren Nachbarn respektiert. Weil Schleuse III schon so lange dabei
ist und man sich in der Szene einzuschätzen weiß, werden wohl auch nie ernsthafte Probleme auf die Oberhausener zukommen. Seit wenigen Jahren haben die sogar selber Chapter gegründet. Nicht aus
Großmannssucht, wie mitunter üblich, sondern als Resultat einer Reihe von Besuchen bei Freunden in südlicheren Gefilden. So verlieh man die Chapterwürde 1986 dem MC Schleuse III im Hunsrück.
Noch recht frisch, seit 2001 am Start unter vollem Colour, ist das Chapter Unna.


Das 20-jährige Jubiläum

Wie gut es ist, eine entsprechende Infrastruktur in Bezug auf Dächer und Bänke zu haben, wenn viele Gäste kommen, zeigte sich bei der Jubiläumsparty im Sommer. Nach wochenlanger Hitzeperiode
fiel der Himmel rechtzeitig zur Zwanzigjahrfeier zu. Ab Freitag regnete es fast ununterbrochen, was die Vorbereitungen nicht gerade vereinfachte. Ein großes Zelt direkt vor dem Außentresen bot ordentlichen
Schutz, ein weiteres an der Giebelwand des Clubhauses ließ auch den letzten Gast nicht im Regen stehen. Naß wurden die meisten nur bei der Anfahrt, oder später von innen. Für feuchte
Träume sorgten die blonde Verena und die schwarze Angie, als sie ihre Hüllen fallen ließen. Die Band war praktischerweise mit einem Bühnentruck angerollt, der erstens ein Dach für
die Musiker und Stripgirls und zweitens Beschallung außerhalb des Festzeltes bot. Das wurde von den zahlreich erschienenen Gästen als sehr angenehm empfunden. Fand sich doch so Zeit und Gelegenheit,
alte Bekanntschaften aufzufrischen und neue im Gespräch zu begründen. Mit einer großen Zahl an Membern war der Freeway Rider's MC aus verschiedenen Chaptern der unübersehbar größte
MC auf dem Platz. Weitere Gäste kamen aus Koblenz, natürlich dem Hunsrück und vereinzelt aus so ziemlich allen deutschen Gegenden. Immerhin hat der MC Schleuse III in den vielen Jahren
seines Bestehens schon jede Menge Bekanntschaften gemacht und viele Freundschaften geschlossen. Daß die Gäste trotz des beschissenen Wetters einige hundert Kilometer Anfahrt auf der Sitzbank
zurücklegten, um zum Ehrentag zu gratulieren, zeigt, daß ein Besuch beim MC Schleuse III immer lohnenswert ist. Fröhliche Gastgeber, eine gute Organisation und beste Stimmung unter allen Gästen sind
Garant für weitere Treffen im Stadtteil um die ehemalige Schleuse. Was die Zukunft bringt, weiß niemand. Daß es den MC Schleuse III in Oberhausen in ihrem kleinen "Gallischen Dorf"
noch eine Weile geben wird, ist anzunehmen. Mit der sehr harmonischen Party wurden die Weichen für die nächsten zwanzig Jahre gestellt.